ART BOOK PROJECT

REBIRTH OF FEMININITY

DAS KUNSTPROJEKT „REBIRTH OF FEMININITY“ IST EINE VISUELLE HOMMAGE AN DIE SYMBOLHAFTE BILDSPRACHE DER SAKRALEN RENAISSANCEMALEREI DES 16. JAHRHUNDERTS. IM MITTELPUNKT DER GEMÄLDEHAFTEN SZENERIEN STEHT DIE AUSEINANDERSETZUNG MIT SCHULD, SÜHNE, VERGEBUNG, ERLÖSUNG UND AUFERSTEHUNG NACH DEM SÜNDENFALL.

Rauschhafte Fieberträume. Die Augen sind geschlossen. Es ist unklar, ob die Handlung der gezeigten Szenen in einem Traum oder in einem wachen Moment der stillen Einkehr, im innigen Gebet stattfindet. Der Blick ist nach innen in die Seele gerichtet. Der Blick auf andere Wirklichkeiten, die anderswo wahr sind, ist dadurch versperrt. Verzweifelt scheint das Bemühen, in dieser inneren Dunkelheit das Licht zu sehen, obwohl man es bereits wärmend in der Hand hält und spüren kann. Wie aber bringt man Licht und Wärme wieder in ein erkaltetes Herz?

Vor allem die tiefen Schatten sind es, die den gemäldehaften, zeitlich nicht einzuordnenden Bildern ihre intensive, dramatische Stimmung verleihen. Licht tritt nur spärlich in den Raum, dafür aber als ersehntes Zeichen der Erlösung, Helligkeit, Klarheit und Erkenntnis.

Was aber sollen die rätselhaften Geschichten nun konkret darstellen? Was bedeuten die vielen, scheinbar chaotisch hingeworfenen Utensilien im Bild? Das Fehlen jeder Erklärung dazu, eröffnet den Raum der Interpretation und Spekulation. Umso mehr lohnt sich der Blick auf die vielen kleinen Gegenstände im Bild. Denn gerade sie sind es, welche der Szene tiefere Bedeutung und Aufschluss über den Inhalt der verschiedenen Geschichten verleihen. Durch sie wird der Schleier über den Bildern ein kleines Stück zur Seite gezogen. Der Betrachtende erhält einen geheimen, leicht voyeuristischen Zugang und taucht ins Geschehen ein.

Wozu die ganze Mühe mit Symbolen und so? Nun: Bilder werden heute anders konsumiert als noch vor wenigen Jahren. Fotos auf Facebook und Instagram sind zumeist oberflächlich, inhaltsleer, bilden nur ab, erzählen keine Geschichte. Einfach bloß bedeutungslos abgeknipste Massenbilder eben. Durchgestylt, pixelscharf durchreturschiert, technisch korrekt? Ja. Aber es fehlt ihnen oftmals an Geheimnis, Stimmung, Ausstrahlung und emotionalisierender Wirkung. Man denkt nicht weiter über diese Bilder – und die Gefühle der Menschen in diesen Bildern – nach. Dies fällt zumeist aber gar nicht auf. Denn in Sozialen Medien werden Bilder nur noch durchgescrollt. Ein gutes Bild ist ein Bild, bei dem man länger als einen Sekundenbruchteil hinsieht – bevor man es gleich wieder wegwischt.

Die Auseinandersetzung mit Werken der alten Meister lohnt sich hier. Die Bildsymbolik war vor 500 Jahren weitaus komplexer entwickelt als in der aktuellen Fotografie. Stellen Sie sich beispielsweise das Gemälde „Dame mit einem Eichhörnchen“ von Hans Holbein dem Jüngeren (ca. 1526) vor. Aus heutiger Sicht ein klarer Fall: Die Dame hatte eben ein Eichhörnchen als Haustier. Fertig. Aber falsch. Denn Eichhörnchen sind wild, freihheitsliebend und alles andere als zahme Haus- und Schoßtierchen. Das Eichhörnchen im Portrait zeigt somit vielmehr den unbezähmbaren Charakter der portraitierten Dame. Diese Art der Bildsprache ist in der Fotografie nahezu verlorengegangen – und darf in dieser Serie eine späte Renaissance erleben. Diese Bilder wollen gelesen werden.

Einladung zur achtsamen Betrachtung. Belohnt wird das nähere Hinsehen mit immer wieder neuen Geschichten, die einem mit jedem fantasieanregenden Detail überraschend in den Sinn kommen. Was ist das kleine goldene Instrument da auf dem Bild? Warum liegt die Blüte in der römischen Tonscherbe? Warum ausgerechnet das Kruzifix? Warum der alte Wecker? Was soll das Radio? Weshalb die Orange? Warum ständig diese Lichter? Wieso wirkt alles so verwischt und verschwommen? Ist das wirklich eine Kneifzange? Welche Wirkung haben die Blüten? Was steht in dem Brief, der in der Schreibmaschine feststeckt? Ist das immer derselbe Raum, in dem die Handlung stattfindet? Wer hat die Frau gefesselt? Ist sie überhaupt gefesselt? Warum sitzen die Fesseln dann nur so lose? Sind die Seile im Sinne der japanischen Shibarimeister vielleicht gar nicht als Stricke zu verstehen? Vielleicht stellen sie vielmehr ja die verlängerten Arme des Liebhabers dar und geben der Person im Bild vielmehr Halt, Sicherheit, Geborgenheit? Wer weiß. Was meinen Sie? Was hat die Frau davor oder danach erlebt? Hat sie gesündigt? Oder einfach bloß gegen jede Vernunft geliebt? Wonach sehnt sie sich so innig? Welche Musik hören Sie leise in diesen Bildern? Spem in alium von Thomas Tallis vielleicht? Oder den Morgengesang von Sjaella?

Zentrales Element – soviel sei jedenfalls verraten – ist bei allen Bildern stets die Suche nach Selbstliebe, Selbstwert, Selbstmitgefühl, Selbstermächtigung und Selbstbefreiung. Was auf den ersten Blick in Verbindung mit religiösen Symbolen vielleicht als schwermütig, polarisierend oder gar blasphemisch wahrgenommen wird, zeigt sich bei längerer Betrachtung als zutiefst spiritueller, liebender Akt der Reise zu sich selbst und als Entdeckung des göttlichen Wesens in uns. Gezeigt wird nicht die bloßgestellte, platt erotisierende Nacktheit des Körpers, sondern die viel intimere Nacktheit der verletzbaren, reinen, unschuldig liebenden Seele. Gezeigt wird die Suche, Entdeckung und Wiederverbindung mit der eigenen Schöpfung. Und nichts auf der Welt versinnbildlicht das so sehr wie das wundersame, rätselhafte, göttliche Geschenk des weiblichen Körpers.

Durch die innere Läuterung verwandelt sich die Bittende in den Bildern jedenfalls selbst zur Heiligen. Das Annehmen des Lichts in Dankbarkeit und das Abstreifen des alten Lebens führt in ein neues Leben der Selbstliebe und Selbstbestimmung. Demütigung wandelt sich in Demut. Kränkung wandelt sich in Vergebung. Die Gemälde zeigen eben diesen Prozess des Loslassens, der zugleich zum entscheidenden Wendepunkt führt – zur Entdeckung der göttlichen Seele in uns. So mündet der schmerzhafte Weg des inneren Leidens schließlich im königlichen Weg der erlösenden Erkenntnis.

Am Ende steht ein neuer Anfang:
Die liebende Umarmung der inneren Urmutter, der Wachkuss der lebensschenkenden Schöpfungsgöttin – die Wiedergeburt der Weiblichkeit.